Vorweggenommener Disclaimer: Ich selbst habe zum diesjährigen Forum Wissenschaftskommunikation mit Oliver Tacke einen eigenen Beitrag zum Thema Open Science eingereicht, der es allerdings nicht in’s Programm geschafft hat.
Mir fällt es offen gestanden etwas schwer einen Rückblick zum diesjährigen Forum Wissenschaftskommunikation zu verfassen. Nicht, weil ich nicht auch in diesem Jahr wieder Bekannte und viele neue und nette Menschen kennengelernt hätte, und auch nicht, weil ich nicht auch viele interessante Gespräche geführt hätte. Vor allem fällt es mir schwer, weil all dies eigentlich nicht viel mit dem Inhalt dieser Veranstaltung zu tun hat.
Michael Sonnabend hat mein Gefühl mit seinem Tweet ganz gut auf den Punkt gebracht:
@staudner Eigentlich wie immer: Viele Gespräche, familiäre Atmo, wenige innovative Sessions … #fwk12— Michael Sonnabend (@earl_piggot) Dezember 5, 2012
Klar, ich habe nur einen Bruchteil der parallel stattfindenden Vorträge in den verschiedenen Sessions gesehen und entsprechend nur einen kleinen Teil der Diskussionen mitbekommen. In den von mir besuchten Sessions sind mir allerdings wieder einmal ein paar Dinge aufgestoßen aufgefallen:
# Es gibt wenige Beiträge die zum Nachdenken anregen, stattdessen gibt es nach meinem Geschmack einfach zu viele Beiträge in denen sich viel zu sehr auf die eigenen Schultern geklopft wird, ob der vollbrachten Projekte. Die Chance diese Projekte im Kreise der Kolleginnen und Kollegen kritisch zu diskutieren wird (zumindest in den Sessions) oft vertan.
# Wir diskutieren viel zu oft dieselben Fragen aus den selben Perspektiven, anstelle die Perspektive auch einmal zu wechseln. Ich besuche jetzt seit 2009 das Forum und jedes Jahr auf’s neue hört man Fragen à la „Wie viel Zeitaufwand soll ich für das Bloggen/Twittern/Facebooken einplanen?“, „Wie gehe ich mit kritischen Kommentaren um?“, „Wie sollte ich in 140 Zeichen Wissenschaft transportieren können?“, oder „Woher sollen wir die Ressourcen nehmen die es bräuchte, um xyz umzusetzen?“. All diese Fragen sind sicher richtig und wichtig, wenngleich manche davon etwas naiv formuliert sind. Wir müssen aber irgendwann aufhören diese Fragen immer und immer wieder zu stellen, und damit anfangen auch einmal Antworten darauf zu liefern. Vor allem müssen wir aber damit beginnen den Antworten die uns bereits gegeben werden, zuzuhören. Vielleicht ist das Zuhören sogar das größte Problem der Wissenschaftskommunikation.
# Es gibt im Jahr 2012 noch „Kommunikationsprofis“ (ergo Personen die Kommunikation als ihre Profession sehen) die jetzt erst Blogs, Twitter, Facebook für sich entdecken, sich damit befassen, oder es gar noch immer nicht getan haben. Es gibt darüber hinaus noch immer professionelle Wissenschaftskommunikatoren die meinen, diese (nicht mehr so) neuen Medien seien nur etwas für Digital Natives und böten keine relevanten Kommunikationskanäle. Leider schafft es das Forum nicht das einzig richtige Signal in diese Richtung auszusenden: Beschäftigt Euch damit und tut es nicht einfach ab! Klar, nicht jeder muss jeden Kommunikationskanal, jedes Medium oder jedes soziale Netzwerk bespielen. Diese Dinge aber einfach mit der Mär Ausreden der Digital Natives und anderen Trübsinnigkeiten abzutun und sich gar nicht damit zu beschäftigen, ist m.E. der falsche Weg (insbesondere, wenn man seinen Beruf in der Kommunikation hat). Zugegebenermaßen ist es dabei nicht hilfreich, wenn der stellvertretende Generalsekretär des Stifterverbands der Deutschen Wissenschaft, Dr. Volker Meyer-Guckel, in der Abschlußdiskussion genau dies (das Abtun) tut, wenn er sinngemäß sagt, dass er Tweets für überflüssig hält.
Sicher, es gab auch Zeichen, die nach vorn zeigen und sogar dazu aufrufen selbst aktiver zu werden. Henning Krause warb dafür neue Formate in der Wissenschaftskommunikation auszuprobieren, zum Beispiel Podcasts oder TweetUps. Marco Trovatello legte ein engagiertes Wort für die Nutzung von Creative Commons Lizenzen in der Wissenschaftskommunikation ein. Und Marc Scheloske motivierte die Anwesenden mit den vorläufigen Ergebnissen seiner Twitter-Studie sich Twitter doch einmal genauer anzuschauen, da es sehr wohl das Potential birgt wissenschaftsrelevante Inhalte zu transportieren.
Den für mich wichtigsten Kommentar hörte ich aber von Florian Freistetter a.k.a. Astrodicticum – der ansonsten in der Abschlußdiskussion leider eher außer Acht gelassen wurde – zur Frage nach der Wichtigkeit der Wissenschaftskommunikation aus Sicht der Wissenschaftler. Florian merkte völlig nachvollziehbar an, dass es nicht wenige Wissenschaftler gäbe die nicht nur Spaß am Kommunizieren hätten, sondern dies auch noch können würden, dass es aber nur ein vergleichbar geringer Teil wirklich tun würde (und viele davon noch in ihrer Freizeit) solange die Wissenschaftskommunikation nicht in die Evaluation/Bewertung ihrer wissenschaftlichen Arbeit eingehen würde. Das ist nur allzu verständlich, denn wer tut schon etwas gern, das ihm nicht nur nicht anerkannt wird, sondern im Zweifel sogar noch im Wege steht und womöglich künftige Chancen verbaut?
Was folgt?
Was für ein Fazit kann ich daraus ziehen? Das Forum Wissenschaftskommunikation sollte muss provokanter werden, wenn es jemals an den Punkt kommen will in der Wissenschaftskommunikation wegweisende Akzente zu setzen. Das muss nicht gleich eine Kehrtwende bedeuten und an allen Stellen gleichzeitig passieren, aber es reicht m.E. nicht mehr einfach eine Veranstaltung auf die Beine zu stellen, die Jahr für Jahr zum Großteil dieselben Themen im selben Tenor präsentiert. Wissenschaft im Dialog hat ja mit dem SciCamp bereits ein spannendes und innovativeres Veranstaltungsformat in petto. Und an dieser Stelle wurden schon Ideen für nächste SciCamps gesammelt – vielleicht sollte man mit dem Forum inhaltlich ebenso etwas mehr in diese Richtung tendieren. Oder verschreckt man sich dann die Mitglieder für die kommenden Jahre?
Ich werde sicher auch im nächsten Jahr wieder einen eigenen Vorschlag für eine Session einbringen. Ich bin mir allerdings nicht sicher, ob ich die Veranstaltung noch einmal voll besuche. Wir werden sehen.
Für den WiD wünsche ich mir für das nächste Jahr ein wenig mehr Chuzpe in der Veranstaltungsorganisation, ein wenig mehr Mut im Selbstverständnis und ein wenig mehr Vorbildfunktion für die Innovation in der deutschen Wissenschaftskommunikation. Für dieses Jahr danke ich ihm aber trotz allem für seine Arbeit und die Organisation des Forums!
Um den Rahmen zu schließen: braucht die Wissenschaft also mehr Marketing? Vielleicht, die Frage wurde mir zumindest im diesjährigen Forum nicht beantwortet. In einer Sache bin ich mir aber ziemlich sicher: die Wissenschaftskommunikation braucht mehr Mut! Mehr Mut, um mit Spaß an der Sache auch mal neue Dinge auszuprobieren und nicht ständig gleich die Sinnfrage mit dem ROI im Hinterkopf zu stellen. Mehr Mut, um auch mal Dinge gegen den Wind innerhalb oder auch außerhalb der eigenen Organisation auszuprobieren. Und mehr Mut, um auf die Erkenntnis hinzuwirken, dass Wissenschaftskommunikation nicht nur Aufgabe einer zentralen Arbeitsstelle für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit ist, sondern immanente Aufgabe eines jeden Wissenschaftlers (wenn er es denn möchte), für die Raum und Zeit sein muss und die sich vor allem für den Wissenschaftler auch lohnen muss!
P.S.: Noch drei kleine Hinweise zu guter Letzt. Begleitende Blogbeiträge finden sich beim Kollegen Reiner Korbmann. Einen Einblick bekommt man auch über die beiden Hashtags zur Veranstaltung – #fkw2012 (offiziell) und #fwk12 (quasi „inoffiziell“).
Bildrechte: C. Rieken/WiD
Danke, Matthias. Das unterschreibe ich alles so. Und ich gestehe: Ich habe in meinem Vortrag auch nur Dinge vorgestellt, die in meiner Wahrnehmung funktioniert haben. Auf dem zweiten SciCamp in Essen haben wir diesen Sommer in der Tat aber auch mal über Versuche gesprochen, die nicht wie erhofft eingeschlagen sind. Das würde ich mir auch fürs nächste Forum mal wünschen. Man könnte so etwas wohl in einem Workshop am Besten besprechen und auswerten. Wenn sich mehrere Leute fänden, die ihre fails vorstellen, trauen sich auch andere und es gibt viel zu lernen. Ich wäre dabei.
Was ich mir auch noch wünschen würde, wären innovativere Formate der einzelnen Sessions. Aus dem Speed-Networking ließe sich z.B. noch ein neues Event-Genre ableiten. Oder man dockt ein eintägiges SciCamp-Modul an eine klassische zweitägige Forum-Veranstaltung an. Und ich finde die CfP-Frist im Sommer immer schon sehr früh. Da sind einige Ideen vielleicht noch nicht ausgegoren oder noch gar nicht geboren, die man bei einer späteren Deadline dann auf dem Forum viel aktueller vorstellen könnte.
Vielen Dank für Deinen persönlichen Eindruck, der sich sehr gut mit dem Eindruck deckt, den ich aus der Ferne aus den Tweets interpretiert habe.
Und „erstaunlicherweise“ viele Erinnerungen an das letzte Jahr weckt:
http://scienceblogs.de/erklaerfix/2011/12/12/monolog-statt-dialog/
@ Henning: Ich bin halt immer erstaunt, dass das Konzept „aus Fehlern lernt man“ sich in der Öffentlichkeit so wenig durchsetzt. Und was man da lernen könnte! Die Idee ein SciCamp-Modul anzudocken finde ich echt gut. Wenn im nächsten Jahr das Forum wirklich schon im September stattfindet, könnte man ja die Deadline im Juni stehen lassen, anstelle sie nach vorn zu verlegen.
@ Chris: wie ich schrieb, auch bei mir weckt das Erinnerungen. Ist ein wenig wie der Gruß vom Murmeltier. Leider.
Hi Matthias,
den für mich wesentlichen Kritikpunkt nennst Du direkt zu Beginn: Allzu viele Leute nutzen das Forum, um ihre eigenen Projekte vorzustellen. Bis zu einem gewissen Maße ist das ja OK, aber allzu oft wird die Linie des guten Geschmacks übertreten. Das finde ich sehr ärgerlich. Ich habe es in meiner Session zum E-Publishing tunlichst vermieden, über die Tablet-App des Stifterverbandes zu reden, was ich in aller Breite hätte tun können. Erst auf die fast vorwurfsvolle Frage von Cornelia Lossau, wieso ich eigentlich nicht über meine Erfahrungen im E-Publishing rede, habe ich das zum Thema gemacht. Ich habe mich bewusst ganz zurückgenommen, aus Respekt vor den Experten, die ich eingeladen hatte, zum Thema sprechen sollten.
Diese Art von Zurückhaltung ist offensichtlich vielen Leuten in anderen Sessions fremd. Das Problem ist uns im Programm-Komitee durchaus bewusst. Leider kann man bei der Auswahl der Sessions oder Vorträge nicht immer erkennen, was genau die Absichten des Einreichers oder der Einreicherin sind.
Es wäre natürlich viel gewonnen, wenn der Veranstalter nicht so sehr auf auf die Einreichungen angewiesen wäre, sondern Sessions stärker selbst planen und die guten Leute dazu einladen könnte. Dazu braucht man aber ein Budget für Honorare und Reisekosten, das leider nicht vorhanden ist.
Dass so viele Leute auf unterschiedlichem Wissenstand sind, ist wohl ein unüberwindbares Problem. Es zeigt, dass sich hinter dem harmlosen Begriff „Wissenschaftskommunikator“ eine Riesenbandbreite verbirgt. Das FWK versucht, diese Bandbreite thematisch abzudecken, aber das ist natürlich kaum zu schaffen. Thematische Schwerpunkte zu bilden, könnte ein Ausweg sein, würde aber bedeuten, dass sich nicht immer alle aus der community angesprochen fühlen. Und das würde heißen, das das FWK eben nicht das jährliche Klassentreffen für alle ist.
Die Frage ist, ob das so tragisch wäre?
Hallo Michael!
Danke für Deine Rückmeldung! Klar wäre nichts schlimm daran, wenn sich das Forum auch den Charakter eines Klassentreffens erhält. Es wäre aber einfach schön, wenn es inhaltlich innovativer werden würde. Und das ist ein Wunsch, den ich sowohl in Richtung der einreichenden Speaker hinsichtlich ihrer Präsentationen richten würde, als auch in Richtung der Organisatoren hinsichtlich ihrer Auswahl der Sessions, aber auch der Wahl der Formate. Diese stecken natürlich in der von Dir beschriebenen Zwickmühle, und die Aufgabe ist bei Weitem nicht einfach. Aber es ist nicht unmöglich in der Vorbereitung (im Aufruf) bereits „Wünsche“ zu verpacken. Noch einfacher ist es sicher, über neue Formate nachzudenken, die kritischere Auseinandersetzungen mit den Themen fördern würden und vielleicht die Einreichenden dazu animieren auch schwierigere Themen einzubringen und damit fruchtbarere Diskussionen zu führen.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass hier Fahnenstange des Möglichen bereits erreicht ist.
Hallo Matthias,
Ich war leider nicht persönlich vor Ort, hatte aber mit Daniela Pscheida und Steffen Albrecht einen Panoramavortrag dort, bei dem wir in 5min leider nur unser Projekt vorgestellt haben. Ursprünglich hatten wir einen Workshop eingereicht, indem wir die Arbeitswelten der Wissenschaftler für unser eScience-Projekt diskutieren wollten. Damit sind wir leider nicht ankommen. Ich hoffe, die Workshops, die schließlich angenommen wurden waren dementsprechend gut, befürchte aber aufgrund Deines Vortrags, dass hier nicht viel passiert ist. Irre ich mich da oder sollte schlichtweg der Raum für Workshops vergrößert werden, damit mehr (inter-)aktive Formate und Diskussionen Raum finden können?
Liebe Grüße
Anja
Hallo Anja, meinem Eindruck nach ist da noch sehr viel mehr Raum für interaktive Formate, ja. Ich würde darüber hinaus sogar schätzen, dass die Veranstaltung erst aus Ihrer Komfortzone herauskommt, wenn sie diesen Schritt geht.
So richtig sinnvoll wird eine Öffnung der Veranstaltung aber erst, wenn die Gestalter der jeweiligen Workshops (oder was auch immer für interaktive Formate) diese auch so ausrichten, dass entlang eines konkreten Themas diskutiert wird und am Ende auch ein Ergebnis (ein Erkenntnisgewinn) steht, der zudem danach auch öffentlich vertont wird. Ich glaube aber auch, dass sich dazu das Klientel ein wenig nach vorn bewegen muss. Mit „Kommunikationsprofis“ die im Jahre 2012 noch nach dem Sinn und Zweck von Blogs fragen (und wieviel Zeit man dafür aufwenden muss), werden auch interaktive Formate ins Leere laufen.